Zeitungsartikel über die Freie-Software-Bewegung
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Hallo zusammen, am 9.7. ist ein großer artikel von mir über die Freie-Software-Bewegung in rumänien und allgemein in der zeitung Neues Deutschland erschienen:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1018024.kuenftig-heisst-er-tehnoetic.html
Es ist v.a. ein porträt des anscheinend größten aktivisten in rumänien. Hier im forum heißt er tct.
Ich kopier den artikel so wie er erschienen ist. Die zeilenumbrüche konnte ich jetzt nicht wegmachen, das ist jetzt so wie in der zeitung. Wenn mir jemand sagt, wie ich die zeilenumbrüche wegkrieg, kopier ich den ganzen text nochmal anders rein.
Künftig heißt er Tehnoetic
Auch Rumänien hat eine Freie-Software-Bewegung, einen kompromisslosen Zweig der
sogenannten Linux-Szene. Ein Besuch bei ihrem Anführer. Von Ralf Hutter
De Stiftung Ceata teilt ihr
Bukarester Hauptquartier
unter anderem mit einem
großen Kopiergerät. Wenn
das loslegt, ist ein Gespräch nur
schwer möglich. Zum Glück ver-
stummt es, als der Ceata-Vorsitzende
aus dem ersten Stock wieder herun-
terkommt. In den Händen hält er zwei
Halbliterkrüge mit Wasser – im Erd-
geschoss gebe es keins, sodass er sich
immer eine große Portion zum Ar-
beiten herunterhole, erklärt Tiberiu
Turbureanu.
Wir setzen uns an einen der von
Kartons mit Kopierpapier umgebe-
nen Tische – einen festen Arbeits-
platz hat Turbureanu nicht. Ceata ist
klein, eine Ansammlung von ein paar
Enthusiasten, die froh sein können,
dass ihnen eine befreundete Organi-
sation ein bisschen Büroraum über-
lässt. Der größte Enthusiast ist wohl
der Gründer selbst. Das zeigt er schon,
als er sich vorstellt: »Mein Spitzname
und zukünftiger Name ist Tiberiu
Tehnoetic.« Tehnoetic ist die Firma,
die der heute 28-Jährige 2014 ge-
gründet hat, ein Onlinehandel für
Computerzubehör und Kommunika-
tionsgeräte, die für Freie Software
geeignet sind. »Mein neuer Name sagt
den Leuten, wie ich bin«, erklärt der
Aktivist und Kleinhändler (er hat noch
nicht viele Produkte im Angebot).
»Ich bin ethisch, was Technologie an-
geht.« Der Name Turbureanu hinge-
gen bedeute, er komme von einem Ort
bei einem Fluss.
Für »Tibi«, wie er sich auch nen-
nen lässt, ist Software eine allgemei-
ne kulturelle Grundlage. Sie soll ein-
seh- und veränderbar sein und nicht
Firmen gehören, von denen die Nut-
zenden dann abhängig sind. Das ist
der Leitgedanke der Freie-Software-
Bewegung, deren rumänischer Able-
ger Ceata ist. Nicht nur zum Be-
triebssystem Windows – zu so ziem-
lich allem, was Computerfirmen für
die breite Masse produzieren, entwi-
ckeln Leute in aller Welt eine Nach-
ahmung mit Freier Software.
Tibis Weg zu dieser Bewegung be-
gann am Ende seiner Schulzeit, als
ihm ein Freund Ubuntu zeigte, die
verbreitetste Variante der sogenann-
ten Linux-Betriebssysteme. »Linux«
ist der Dachbegriff für eine Vielzahl
an kostenlosen Betriebssystemen, die
im Grunde quelloffen sind, die also
jeder Mensch mit Ahnung selbst wei-
terentwickeln kann. »Ich war faszi-
niert davon, wie professionell, um-
fangreich und alltagstauglich das
System war«, erzählt Turbureanu.
»Automatisch enthalten war ein Es-
say von Richard Stallman. Später
suchte ich nach Videos mit Reden von
ihm. So kam ich zu seiner Philoso-
phie. Da war ich schon frustriert von
den Beschränkungen und dem Man-
gel an Kooperationsmöglichkeiten
und Offenheit bei Windows.«
Der Informatiker Richard Stall-
man ist der Vordenker der Freie-Soft-
ware-Bewegung, seit er 1985 das
GNU-Manifest veröffentlichte (GNU
ist ein rekursives Akronym und steht
für das offene Betriebssystem »GNU’s
not Unix«). Dieser Ansatz geht davon
aus, alle Kompromisse abzulehnen:
keine Arbeit an Produkten oder mit
Softwareteilen, die per Lizenz die
Modifikation oder Weitergabe von
Software verbieten. Diese harte Hal-
tung wird von der US-amerikani-
schen Free Software Foundation
(FSF) und dem GNU-Projekt, das mit
ihr zusammenhängt, vertreten. GNU
hat elementar wichtige Bestandteile
dessen geliefert, was landläufig als
»Linux«-Betriebssystem bekannt ist,
erlangte aber nicht die Berühmtheit,
die dem jungen Finnen Linus Tor-
valds für seinen Beitrag zuteilwurde.
Fast keines der vielen sogenannten
Linux-Betriebssysteme genügt den
Ansprüchen von FSF und GNU. Sie
enthalten nämlich kleine Teile in-
transparenter Software, um auf den
generell für unfreie Software ausge-
legten Rechnern zu laufen.
»Das GNU-System gab mir Hoff-
nung für die digitale Gesellschaft«,
erinnert sich Turbureanu. Für Ethik
und die Stärkung persönlicher Frei-
Ceata-Gruppe beim Hacken
heiten habe er sich vorher schon in-
teressiert. In der Schule habe er zu-
dem einen Spezialzweig mit viel Ma-
the und Informatik besucht. Infor-
matik zu studieren und dabei grund-
sätzlich ethische Fragen einzubezie-
hen lag da nahe. Tibi ging nach Bu-
karest, wo er Ceata 2008 als infor-
melle Hochschulgruppe ins Leben
rief. 2010 schloss er sein Informatik-
studium ab, 2013 gründete er die
Stiftung. Das dafür nötige Geld lieh
er sich bei einer Bank, die ihm den
Kredit wegen seiner Anstellung als
Programmierer gab. Kurz danach
kündigte er.
Endlich konnte sich der Informa-
tikethiker Vollzeit dem widmen, was
ihm am wichtigsten war: Aktivismus
für Freie Software. »Ceata sollte von
Beginn an eine aktivistische Gruppe
sein, nicht nur eine Entwicklungs-
gruppe, die sich zum Hacken trifft«,
erklärt der Stiftungsvorsitzende. Sein
späteres Masterstudium war ihm
nicht interessant genug, er brach es
ab. Auf eine akademische Karriere
hatte er keine Lust. Also Aktivismus.
Gruppen, die sich für sogenannte
Linux-Betriebssysteme einsetzen, gab
es in Rumänien auch vor Ceata. Doch
sie gefielen dem techno-ethischen Ti-
bi nicht, denn sie akzeptierten auch
proprietäre Software, die also Fir-
men gehört und uneinsehbar ist.
Für die Freie-Software-Philoso-
phie jedenfalls interessierte sich da-
mals niemand sonst in Rumänien.
Deshalb sollte Ceata mehr werden als
nur eine Studierendengruppe. Der
sozusagen sozialistische Ansatz zeigt
sich auch im Namen der Stiftung. Es
Foto: Ceata/Jordi Lopez
handelt sich um ein »Backronym«, ein
rekursives Akronym: Der erste Buch-
stabe steht für nichts anders als für
Ceata selbst. Das ganze Kürzel steht
auf Rumänisch für: »Ceata befreit
Künste und moderne Technologien.«
Es geht also explizit nicht nur um
Computertechnik. Hinzu kommt, dass
das Wort »Ceata« schon existiert. »Es
ist ein altes Wort für ›Gruppe‹, das
kaum noch gebraucht wird«, sagt der
Gründer.
2010 waren die meisten rumäni-
schen »Linux-User-Gruppen« einge-
gangen, erzählt der Aktivist weiter.
Zur Ceata-Gründungsveranstaltung
2013 in Bukarest konnte Turbureanu
aber Richard Stallman gewinnen.
2014 machte der US-Amerikaner ei-
ne Rundfahrt zu den Ceata-Orts-
gruppen und hielt dort Vorträge. »In
jeder Stadt kamen mindestens 100
Leute«, erzählt Turbureanu. Stall-
mans Konterfei ist sogar zum Logo
von »Coliberator« geworden, der
jährlichen Ceata-Konferenz. Der Na-
me ist eine Vermischung von »zu-
sammenarbeiten« und »befreien«.
Anfang Juni fand die Konferenz wie-
der statt, mit Vorträgen und Work-
shops beispielsweise zu Datenschutz
im Internet und einem transparenten
BIOS (jener Software, die die restli-
che Software überhaupt erst startet).
»2015 gab es Vorträge zu Privat-
sphäre, elektronischen Wahlverfah-
ren – die wir, wie auch GNU, nicht
als geeignet für die Demokratie an-
sehen – und zu Replicant, dem Frei-
en Betriebssystem für Mobilgeräte,
das auf Android basiert«, berichtet
Turbureanu. Auch freie Nachrich-
tendienste für Mobilgeräte, die
Whatsapp und Skype ersetzen, wa-
ren Thema.
Allerdings kamen die letzten bei-
den Male keine 100 Leute – für eine
große Mobilisierung hat Ceatas Or-
ganisationskapazität nicht gereicht.
Der Stiftungsgründer scheint nach
wie vor der Hauptaktivist zu sein. Er
arbeite hier die meiste Zeit alleine,
nur ein anderes Mitglied des drei-
köpfigen Vorstands komme gele-
gentlich vorbei, sagt er. Seit 2014 be-
kommt Tibi kein Geld mehr von Cea-
ta, er ist seitdem freiberuflicher Pro-
grammierer. »Ich arbeite trotzdem
acht Stunden pro Tag hier, weil ich
sonst nichts anderes mache«, erklärt
er.
Ceata organisiert Vorträge und ver-
netzt sich mit anderen, darunter die
anderen europäischen Freie-Soft-
ware-Stiftungen. Auch Seminare zur
Nutzung und Entwicklung von Freier
Software werden angeboten. Organi-
siert ist Ceata in lokalen und in Pro-
jektteams. Selbst in Chisinau, der
Hauptstadt des zum Teil rumänisch-
sprachigen Nachbarlands Moldau, wo
schon ein anderer Aktivist Vorarbeit
geleistet hatte, gibt es eine Ortsgrup-
pe. Projekte können Kampagnen oder
Software-Entwicklungen sein. Sie sind
dezentral organisiert, per Internet.
Insgesamt stehen nur wenige Men-
schen hinter Ceata, gibt Turbureanu
zu: »Wir haben ungefähr 20 Mitglie-
der, die ihre Zeit geben, und unge-
fähr zehn passive Mitglieder, die mo-
natlich Geld bezahlen.« Geld wird
prinzipiell auch von Sponsoren ak-
zeptiert. Firmen, die gegen Freie Soft-
ware seien, kommen aber nicht in-
frage. Richtig kompromisslos kann
Ceata bei den Online-Werkzeugen
sein: »Wir sind weder auf Facebook,
noch auf Twitter«, erklärt Tibi. »Wir
sind auf Diaspora, GNU social und
Pump.io. Wir veröffentlichen auch
nichts auf Youtube, sondern auf Me-
diagoblin.« Als Betriebssystem nutzt
Ceata Trisquel, eine um die intrans-
parenten Softwareteile bereinigte
Version von Ubuntu, dem populärs-
ten GNU/Linux-Betriebssystem. Auch
Vordenker Stallman nutzt diese Dis-
tribution.
Ceata macht sie nun in Rumänien
etwas bekannt. Ein Anknüpfungs-
punkt ergab sich 2014, als an rumä-
nischen Schulen die Windows-Lizen-
zen ausliefen. Doch die Schulen, die
auf Ceatas Betreiben hin Trisquel ein-
setzten, hörten damit auf, weil die
Stiftung keine Finanzierung für die
Aufrechterhaltung des Supports fand,
erzählt Turbureanu. Nun will er eine
rumänische Weiterentwicklung dieses Betriebssystems angehen und von
vornherein sicherstellen, dass Firmen
dafür den Support übernehmen.
Der Ceata-Vorsitzende erwähnt ei-
nen zweiten Misserfolg: »Wir berei-
teten sogar einen Vortrag über Tris-
quel vor dem Bildungsminister vor,
aber der fiel aus, weil es eine Kabi-
nettsumbildung gab.« In Zukunft soll
es weiterhin Aktivismus auf solchen
höheren Ebenen geben. Die Stiftung
habe einen Ansatz von unten ge-
wählt, erklärt der Gründer. »Mittler-
weile sind wir so gewachsen, dass wir
eine Stimme haben und dass andere
Organisationen unsere Offenen Briefe
unterschreiben«, hält er fest. »Es wird
Zeit, dass wir auch auf Regierungs-
ebene fordern, dass unsere Freiheiten respektiert werden.«
Hallo Ra,
auch wenn er schon ein Tage im Forum steht, vielen Dank für die Bereitstellung des Artikels über einen Mann in Rumänien, der wirklich tolles leistet, um freie Hard- und Software für jedermann bereitzustellen.
Um so bemerkenswerter finde ich, das dies aus einem Land wie Rumänien geschieht, welches ich aufgrund meiner rumänischen Partnerin jährlich bereise und daher weiss, was es heisst, dort zu leben und zu arbeiten.
Ich kann nur jedem empfehlen, sich mit dem Kauf eines Smartphones, eines Laptops oder wie ich mit einem Wifi Aadpter, die Arbeit dieses Mannes zu unterstützen.
Ich habe schon einmal in diesem Forum geschrieben, das die Verbreitung der Bewegung in die breitere Menge der User ein Riesenproblem ist und es unbedingt notwendig ist,auch "normale User" wie mich durch entsprechende Bezugs- aber vor allen Dingen SUPPORT Möglichkeiten an der Sache festhalten zu lassen.
Wie gesagt, danke für den Artikel.
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