Wann kommt Trisquel 9?
Nebenan, im englischen Forum wird angemahnt, dass neue Versionen sehr lange auf sich warten lassen.
Dieser Kritik stimme ich zu.
Aber es gibt (für mich) Wichtigeres, als eine neue Hauptversion des Systems:
Es ist nicht akzeptabel, dass Updates ganz besonders von wichtigen Programmen, wie z. B. LibreOffice endlos lange dauern und man die aktuellen Versionen nur "auf krummen Wegen" bekommt.
Grundsätzlich sehe ich es als Fehler an, sich ein Major-System zu nehmen, wie hier Ubuntu, und daraus eine freie Version zu "basteln".
Durch diese /schlechte) "Strategie" hat man (immer) Probleme:
1. Man muss immer auf neue Versionen reagieren und kann keine eigenen Entwicklungszyklen gehen -> die User ärgern sich, weshalb keine neue Version kommt, wenn das "Vorlagesystem" in neuer Version erscheint.
2. Man muss immer wieder vor vorne beginnen, das Vorlagesystem zu scannen, ob sich nicht irgendwo unfreie Software "eingeschlichen" hat, wenn man selbst nur echte freie Software anbieten will.
Dadurch macht man jedesmal wieder die volle Arbeit, ein freies System zu basteln und kann nicht auf vorhanden (eigenen) Änderungen aufbauen.
3. Durch Stress, der zumindest in Teilen vermeidbar wäre, entsteht unnötiger Verschleiß und dem System droht ständig der Tod durch Überlastung der Entwickler -> und neue Entwickler sind schwer zu rekrutieren -> das System bleibt immer in der Nische und bleibt bedeutungslos.
Ich finde Trisquel großartig - ohne viel Firlefanz und gut auf "Produktivität" ausgerichtet - aber ich bin nicht mehr lange auf Trisquel, wenn sich da nicht deutliche Besserung zeigt.
Was nützt mir freie Software, wenn ich bei den wichtigen Hauptprogrammen keine Updates bekomme?
Viele Grüße
Detlef
Ich weise mal auf das englische Nachbarforum hin und die dortige Debatte, weil hier auf der deutschen Seite eher wenig los ist...
https://trisquel.info/en/forum/why-does-trisquel-take-much-time-release-new-version
Ich hatte mich dort drangehängt und meinen obigen Text auf englisch angefügt, worauf ich eine Antwort bekam, die wie folgt beantwortet habe:
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Es gibt mehrere Argumente dagegen:
1. Nur die wenigsten Nutzer sind fähig, selbst Eingriffe im System zu machen. Und nur wenige wollen das auch. Der "normale Nutzer" will das System NUR benutzen, nichts weiter.
2. Wer ein Programm oder ein System herausgibt, ist für die Aktualität auch verantwortlich.
Auch wenn ich meine Programme (manuell und aus eigener Verantwortung) aktualisieren möchte, kann ich das gar nicht, weil aktuelle Versionen vom Systemherausgeber gar nicht angeboten werden. Ich muss "krumme Wege" gehen, um die aktuellen Versionen zu benutzen.
3. Es ist eine sehr schwache und vor allem schlechte begründung, das "Muttersystem" ist veraltet und deshalb kann mein System auch nicht aktuell sein.
Weshalb soll ich dann dieses "Tochtersystem" benutzen? Dann kann ich doch irgendein anderes System benutzen -> dann ist das System schon beim Start tot gewesen und es ist sinnlos, es zu benutzen.
4. Das internet und tausende Bücher und tausende Seminare sind voll von Mahnungen, man soll Aktualisierungen einspielen, weil diese für Sicherheit wichtig sind.
Um bei meinem Beispiel zu bleiben: LibreOffice wird ja nun nicht nur wegen der Schönheit aktualisiert, sondern immer sind auch Bugfixes und Sicherheitsverbesserungen enthalten.
Auch hier ist es also ein falsches Argument, es wären ja nicht immer Sicherheitsverbesserungen und deshalb wären Aktualisierungen unwichtig -> eine gefährliche Politik, die dem eigenen System schweren Schaden zufügt.
Alles in allem:
Kein Wunder, dass Trisquel (oder andere gute Systeme) nicht aus der Nische herauskommen und auch insgesamt nicht alt werden, wenn so argumentioert wird...
Da bin ich ganz deiner Meinung.
Noch gefährlicher finde ich jedoch, dass grundlegende Software, wie z.B. Abrowser oder icedove hiervon am stärksten betroffen sind, da sie entscheidend sind bei der täglichen Nutzung.
Wenn es nun mal nicht schneller geht, ist es immer noch viel besser als gar nichts, und besser als ein früh veröffentlichtes, aber kaputtes Trisquel.
Aber bitte, erst einen halben Tag alt:
http://jenkins.trisquel.info/makeiso-etiona/iso/
Achtung: Das ist wohl bloß eine weitere Vorabversion.
Dank Corona hatte ich mal wieder etwas Zeit und habe mir mal Trisquel 9 angesehen. Die Vorab ISO stürzte beim Installer ständig ab, dabei habe ich außer der Sprache nichts geändert.
Ich habe dann von einer frischen 8er auf 9 aktualisiert. Läuft soweit, hat aber noch viele Bug.
Die mitgelieferte Mate-Version ist auch steinalt mit allen bekannten Bugs, die eigentlich schon behoben sind.
Suspend funktioniert nicht zuverlässig. Selten geht es aber in der Regel nicht.
Immerhin sind abrowser und Icedove in einer aktuellen Version verfügbar. Das scheinen aber auch die einzigen Desktop Apps zu sein denen die Gnade der Aktualität zu Teil wird. Bei einem Relesezyklus von 4 Jahren schon abschreckend.
Hallo,
vorab gesagt, ich möchte mir meinen Optimismus in Bezug auf Trisquel 9 und folgende nicht nehmen lassen.
Ich bin seit Trisquel 7 dabei und nutze es als mein tägliches OS.
Allerdings stelle auch ich fest, das viele Projekte, wie Trisquel (verspätete Releases durch wenige bzw. einen Entwickler, als auch die Herangehensweise des Paketmanagements), aber auch Libreboot (letzte Version aus 2016) und mein Smartphone OS Replicant (nächste Version nicht absehbar), aber auch Hardware Verkäufer mit Thinkpads mit Libreboot (Minifree) Ihre Probleme haben.
Daher kann ich Deinen (torsten) Schritt verstehen, wieder auf Debian zu wechseln, um eine gewisse Verlässigkeit zu gewährleisten in Punkto Weiterentwicklung & Sicherheit. Gerade wenn der Rechner nicht nur im privaten Bereich, sondern auch als Arbeitsrechner funktionieren soll.
Da ich selbst "nur" Nutzer bin, konnte ich leider nicht mehr tun, als die Projekte finanziell zu unterstützen, bei den Hardware Anbietern Rechner mit Libreboot zu bestellen, usw..
Schön wäre die FSF würde die Wichtigkeit von Trisquel erkennen und eine kontinuierliche Weiterentwicklung zu unterstützen, wenigstens mit Zeit für den Entwickler. Auch fände ich den Zusammenschluss verschiedener Projekte nicht schlecht, denn auch bei Parabola ist nicht die Welt los... Auch wenn ich die Diversität im GNU/Linux Bereich grundsätzlich gut finde, hier wäre eine Bündelung der Kräfte nicht schlecht.
Ich habe einen Teil meiner Rechner auf Trisquel 9 (Alpha) umgestellt und hoffe, wie eingangs geschrieben, das es weitergeht.
Ansonsten würde auch ich schweren Herzens den Weg zu Debian gehen.
Gruß
> Allerdings stelle auch ich fest, das viele Projekte, wie Trisquel (verspätete Releases durch wenige bzw. einen Entwickler, als auch die Herangehensweise des Paketmanagements), aber auch Libreboot (letzte Version aus 2016) und mein Smartphone OS Replicant (nächste Version nicht absehbar), aber auch Hardware Verkäufer mit Thinkpads mit Libreboot (Minifree) Ihre Probleme haben.
Das sind drei verschiedene Probleme, die alle verschiedene Ursachen haben. Es gibt da keinen Zusammenhang.
- Was Libreboot angeht, so ist es als toter als tot zu betrachten. Das bedeutet nicht, dass man es nicht auf seinem X200 nicht nutzen sollte da es sowieso nur fuer alte Targets interessant ist. Ich selbst sehe Libreboot als eher kritisch, wichtige Probleme wurden und werden mehr oder weniger verschwiegen (z.B. Infos zu crashes wegen fehlender mu updates sind nur fuer erfahrene Nutzer zu finden).
- Was MF angeht, ich bin da nicht ganz unvoreingenommen aber dennoch ganz gut im Bilde. Wenn man bei einem kleinen Anbieter im Ausland Sachen bestellt und per Bankueberweisung im Voraus bezahlt, sollte man sich vorher umfangreich informieren. Wenn man sein Geld dann schlussendlich aus dem Fenster geworfen hat weil man seine due diligence nicht gemacht hat, muss man das entweder als Lebenserfahrung verbuchen oder eben halt Anzeige erstatten. Es gibt bereits zahlreiche Warnungen im Netz zu dem Laden die einfach zu finden sind. Der CEO des Ladens hat seit jeher so viele private Probleme (die man ebenfalls im Netz findet), dass alle Warnlichter angehen sollten. Das die Diskussionen dazu oeffentlich ausgetragen werden, liegt daran, dass der CEO auch Projektgruender von Libreboot ist, welches damals von der FSF und GNU recht gut gepushed wurde und in unserer Community daher pupulaer war. Leider traegt die Diskussion zu MF jetzt dazu bei, das Menschen das Vertrauen in die Community (und andere Unternehmen die sich in dem Bereich engagieren) verlieren. Am besten fuer uns alle waere es, MF und dessen CEO wuerde fuer immer wuerde von der Bildflaeche der Freien Software Gemeinschaft verschwinden.
> Da ich selbst "nur" Nutzer bin, konnte ich leider nicht mehr tun, als die Projekte finanziell zu unterstützen, bei den Hardware Anbietern Rechner mit Libreboot zu bestellen, usw..
Du machst schon mehr als 99.92% aller Menschen! Gratulation! :)
> Schön wäre die FSF würde die Wichtigkeit von Trisquel erkennen und eine kontinuierliche Weiterentwicklung zu unterstützen, wenigstens mit Zeit für den Entwickler. Auch fände ich den Zusammenschluss verschiedener Projekte nicht schlecht, denn auch bei Parabola ist nicht die Welt los... Auch wenn ich die Diversität im GNU/Linux Bereich grundsätzlich gut finde, hier wäre eine Bündelung der Kräfte nicht schlecht.
Meines Wissens unterstuetzt die FSF die Entwicklung von Trisquel bereits und die Wichtigkeit haben sie sicher erkannt das es m.W. die Hausdistro der FSF ist. Wir sponsoren die FSF derzeit mit einem groesseren Server auf denen Trisquel laeuft. Zur genauen Art der Foerderung muesste man aber nochmal nachhaken um genaue Infos zu bekommen.
> Ansonsten würde auch ich schweren Herzens den Weg zu Debian gehen.
Wieso schweren Herzens; Debian ist ein Leuchtturmprojekt und mit die populaerste Distro. Trisquel wird absehbar eine Nischendistro der Freie-Software Gemeinschaft bleiben, es fehlt hier einfach an Entwicklern und Maintainern da schon die Freie-Software Gemeinschaft in der das stattfindet klein ist. Man tut auch niemanden weh, wenn man sie nicht nutzt. Unterstuetzen kann man das Vorhaben ja trotzdem auf vielfaeltige Weise wenn man sich dafuer begeistern kann.
Hallo,
danke für Deine ausführliche Darlegung der Sachverhalte!
Es war mir ein Anliegen meine Befürchtungen bezüglich der mir mit den Jahren lieb gewonnenen freien HW- und SW Projekte auszudrücken und damit der Befürchtung diese nicht weiternutzen zu können, besonders Trisquel.
Bzgl. MF bin ich mir der anderen Anbieter (Vikings, Technoethical, Zerocat) sehr bewusst und denke momentan über die Coreboot Installation meines X220 bei Vikings nach. :-)
Schade, das das Nutzen von freier HW- und SW ein Nischendasein fristet.
Ansonsten bleibt mir nur das Beste zu hoffen und immer wieder mit "Donations" meine Unterstützung zu zeigen, sodass es auch weiterhin Menschen geben kann bzw. wird, die für digital bewusste Menschen wie mich Hard- u. Software bereitstellen wollen.
Gruß
> danke für Deine ausführliche Darlegung der Sachverhalte!
Wann kann man schon mal auf Deutsch schreiben! Eine Gelegenheit! :)
> Bzgl. MF bin ich mir der anderen Anbieter (Vikings, Technoethical, Zerocat) sehr bewusst und denke momentan über die Coreboot Installation meines X220 bei Vikings nach. :-)
Zerocat kann ich auch persoenlich besten Gewissens empfehlen. Die bzw. der haben sogar ihren eigenen Chipflasher entwickelt und bei der FSF RYF zertifizieren lassen!
Von Technoethical hoert man hin und wieder auch mal das Leute teilweise laenger auf ihre Bestellungen warten, das ist aber oft (vermutlich) einfach nur eine falsche Erwartungshaltung bzw. Miskommunikation. Ich finde Technoethical zu teuer - dafuer spenden sie aber offenbar ein Teil der Einnahmen an Trisquel, ob das den Aufpreis rechtfertigt, habe ich nicht recherchiert. Vikings unterstuetzt aktuell nur die FSF als "in-kind donor" (https://www.fsf.org/patrons) und das peers Projekt (https://peers.community/) mit zwei Servern.
Davon abgesehen hiermit etwas ungefragter Rat: X220 nur wegen dem Keyboard, das X230 ist das margnial "bessere" Laptop, alles in Allem.
X220 und X230 (mit IPS Display!) haben wir auch auf Anfrage in sehr gutem Zustand hier verfuegbar (Intel ME neutralisiert).
> Schade, das das Nutzen von freier HW- und SW ein Nischendasein fristet.
Einverstanden! M.M.n. ist eine vergleichweise komplizierte Angelegenheit sich mit den Mechanismen auseinanderzusetzen und sich eine Meinung zu bilden, vor allem ohne Vorwissen oder einem Freund der sich auskennt. Es gibt da draussen viel Halbwissen (wovon ich mich nicht ausschliesse) und auch viel (aus Marketingruenden) zurueckgehaltene Informationen. Im Grunde ist freie Software, aber insbesondere "libre-friendly computing" heute oft ein Kompromiss da die Investitionen in offen entwickelter Hardware die frei lizenziert ist extrem teuer ist und Kompromisse daher noetig sind um ueberhaupt vorwaerts zu kommen. Dann gibt es auch noch zwei "Lager"; naemlich die Leute die das vornehmlich aus einer moralischen Ueberzeugerung hinaus tun (die Idealisten) und Leute die es vornehmlich wegen der technischen Ueberlegenheit von freier Software tun (Techniker und Ingeneure) wobei Grenzen selbstverstaendlich fliessend sind.
Wichtig ist m.E., dass man niemanden bekehrt oder belehrt wenn man Leute in unsere Gemeinschaft einfuehrt, sondern Wissen vermittelt das fuer sich selbst spricht. Dann wird man auch ernst genommen. Bei der FSF scheint gerade, vermutlich mit dem Ausscheiden von RMS, ein sanfter Sinneswandel einzutreten. Ich finde RMS, den ich dennoch sehr wertschaetze, ist immer sehr schwarz/weiss und als Person polarisierend auf eine Art die ausserhalb der U.S.A. nicht gut ankommt. Ich habe mich immer gefragt welchen Stellenwert die FSF/GNU haette, wenn RMS als strahlendes Beispiel ein anderes Wesen haette und problematische Aeusserungen unterlaesst.
Hallo torsten & Vikings,
ich habe mit großer Freude eure Beiträge gelesen!
Es ist schön in der Muttersprache über freie Software zu lesen und zu diskutieren.
Gruß